Postwachstum zwischen Anführungsstrichen: „Selbstdeprivilegierung“

Bernd Sommer und Harald Welzer (2014) werfen im Rahmen ihres Entwurfs eines Transformationsdesigns einen kurzen Blick in die Geschichte der Moderne – dieser zeige,

dass alle Modernisierungsschritte der kapitalistischen Industriegesellschaft Ergebnis von Konflikten um Privilegien waren: Das gilt für die Abschaffung der Sklaverei genauso wie für die Entkolonialisierung, für den Kampf um die Arbeitszeit genauso wie für die Frauenbewegung. Immer werden zuvor privilegierte Gruppen im Ergebnis deprivilegiert, und natürlich hat keine dieser Gruppen dem drohenden Verlust von Privilegien freudig zugestimmt und sich kampflos zurückgezogen. […]

Im Unterschied zu dieser frühen Phase der Industrialisierung setzt eine Transformation zu einer reduktiven Moderne heute aber auch die Bereitschaft voraus, sich selbst zu deprivilegieren. Da die Herausforderung lautet, ein historisch ungeheuer erfolgreiches gesellschaftliches Modell so umzubauen, dass wir seine zentralen Errungenschaften bewahren und zugleich den Ressourcenverbrauch radikal absenken, kommen wir um die Erkenntnis nicht herum, dass eine sozialökologische Transformation unweigerlich das Herunterfahren von materiellen Ansprüchen, die Umgewichtung von Werten, die Veränderung der wirtschaftlichen Praxis, der Mobilität, der Ernährung, des Arbeitens, der Freizeit, des Wohnens bedeutet – zumindest für jene, die bislang auf Kosten anderer (seien es die Marginalisierten im globalen Süden und andernorts oder die zukünftigen Generationen) an den Errungenschaften der expansiven Moderne teilhatten.


Literaturverweis:

Sommer, Bernd/Welzer, Harald (Hrsg.) (2014): Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne, München: oekom verlag, S. 48f.
[ISBN 978-3-865-81662-7]