Faire Kiste als kleiner Welt(bauch)laden

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Fairer Handel – im Gegensatz zu den vereinzelten, fairwaschenen Sortimentsaufhübschungen im Discount-/Supermarkt-Regal sind (Eine-)Weltläden glaubwürdige Umschlagplätze für v.a. Lebensmittel aus Ländern dieser Erde, in denen der sog. Weltmarkt mit seinem ungebrochenen Freihandelsparadigma den Kleinbauern und -bäuerinnen keine existenzsichernden Preise zu zahlen bereit ist. Nun ist die vermeintliche Freiheit des Handels offensichtlich keine Garantie für Fairness oder gar Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden – hier lässt sich vielmehr unschwer ein neokolonialistisches Kontinuum erkennen.

Welchen Platz kann unter solchen Marktbedingungen ein abgespeckter kistenförmiger Welt(bauch)laden einnehmen? Damit lassen sich weiße Flecken einer Weltladen-Infrastruktur immerhin übergangsweise kompensieren. Zudem können auf diesem Weg faire(re) Produkte auch an Menschen herangetragen werden, die sonst vielleicht nie einen Fuß in einen Weltladen setzen würden.

Wenn ihr selbst eine solche Faire Kiste erwerben, aufstellen und bestücken wollt, dann ist die Fair-Handels-Beratung mit ihrem bundesweiten Netzwerk sicherlich ein geeigneter Erstkontakt. Für Mecklenburg-Vorpommern (und ggf. auch darüber hinaus) bietet die Ökumenischen Arbeitsstelle der Evangelischen Kirche in Rostock ein konkretes Angebot: 20 Euro für eine Kiste, wie sie oben zu sehen ist – nur die Produkte müssen dann noch besorgt werden. Hierfür ist eine Zusammenarbeit mit stationären Eine-Welt-Läden in eurer Region empfehlenswert, die auch bei der Produktauswahl unterstützend zur Seite stehen können.

Postwachstum zwischen Anführungsstrichen: über „Radikale Ökopsychologie“

Andy Fisher (Psychotherapeut, Wildnislehrer und Dozent) möchte eine Psychologie für eine ökologische Gesellschaft etablieren und verwendet das Wort „radikal“ dessen Herkunft entsprechend: also im Sinne von „zur Wurzel vordringen“, was für ihn bedeutet,

sich mit den Dingen in der Tiefe auseinanderzusetzen und dabei zum Aufbau einer neuen Gesellschaft beizutragen. […] Folglich fordern radikale Ökologen, dass die ökologische Krise auf der systemischen Wurzelebene anzupacken sei: kulturell, gesellschaftlich, politisch, ökonomisch, philosophisch, historisch – und psychologisch. Darüber hinaus erklären sie, dass die ökologische Krise nicht bloß nach politischen Reformen und etwas grüneren Lebensstilen rufe, sondern nach einer historischen Transformation,

an deren Ende eine völlig veränderte Gesellschaft stünde, die Fisher kurz als „ökologische Gesellschaft“ deklariert. In dieser würden sich

Produktiv- und Konsumkraft […] in die größere »Gesellschaft der Natur«

einfügen und dem Leben auf unserer Erde könnte Gelegenheit zur Regeneration gegeben werden. Was nun die Psychologie betreffe, müsse ein

Konflikt zwischen dem Hauptziel der Psychologie – dem Wohlergehen des Menschen – und dessen anthropozentrischer Missachtung des Wohlergehens der Erde als Ganzer

thematisiert und angegangen werden. Eine

Synergie zwischen persönlicher und planetarer Gesundheit

gelte es ins Bewusstsein zu rufen. Fisher geht noch ein Stück weiter und stellt eine quasi-natürliche Verbindung zwischen Radikaler Ökopsychologie und Kapitalismuskritik her, da

sich die Psychologie die individualistischen, marktwirtschaftlichen Ideologien unserer kapitalistischen Gesellschaft zu eigen gemacht

habe und damit einen Pakt

mit den Kräften eines naturbeherrschenden Gesellschaftssystems [… eingegangen sei], das nicht nur die Erde malträtiert, sondern auch den Menschen immenses Leid zufügt, ja, die menschliche Natur ausbeutet und knechtet.

Für Fisher ist

eine extraktivistische Gesellschaft, die weiterhin Kapital aus der brutalen Ausbeutung der mehr-als-menschlichen wie auch der menschlichen Natur schlägt,

von Konkurrenz, Unsicherheit und Niedertracht gekennzeichnet. Wir müssten

uns der Infiltration unserer sozialen Beziehungen durch das kapitalistische System widersetzen

und so zu einer

Kultur der Verbundenheit

kommen, welche die Mensch-Natur-Beziehung auf eine ursprüngliche, respektvolle Grundlage stellen würde.

Klassisch psychologischen bzw. psychatrisch Kategorien wie Narzissmus, Depression und Sucht ließen sich laut Fisher leicht auf die

Mechanismen einer Gesellschaft [zurückführen], deren oberste Priorität die Akkumulation von Geld ist[…].

Er begreift die Radikale Ökopsychologie als geradezu notwendigerweise kritische Psychologie, wenn sie ihrem Anspruch, zu den psychologischen Wurzeln der ökologischen Krise vorzustoßen, gerecht werden wolle. Ihre Theorien müssten

die komplexe Verwobenheit zwischen Gesellschaft, Ökologie und Psychologie nachzeichnen[…]. Die durch eine solche Theorie informierte Praxis muss wiederum wiederum Veränderung auf der kulturellen und gesellschaftlichen – nicht bloß auf der individuellen – Ebene anstreben.

Wie genau der von Fisher angedachte radikal-ökopsychologische

Dreiklang aus Therapie, Wiedererinnerungsarbeit und Kritik der kapitalistische Verwertungslogik

konkret aussehen soll, deutet er am Beispiel einer „Wildnisbewegung“ leider nur an. Hier wären spannende Narrative der Gelingens angebracht. So lange verharrt die Radikale Ökopsychologie wohl im Wollen.


Literatur- und Internetquelle:

Fisher, Andy (2014): Mensch, Natur, Psyche. In: oya, 5. Jahrgang 2014, Ausgabe 28, September/Oktober 2014, S. 58-59

Postwachstum zwischen Anführungsstrichen: über eine „licence to grow“

Martina Merz will in ihrem Kommentar Degrowth? Ach was! unter der Rubrik Neue Wirtschaft in der aktuellen Ausgabe (03.2015: Essen & Kämpfen) der taz.zeozwei – Das Magazin für Klima. Kultur. Köpfe weg von den in ihren Augen

verkopften Begriffe[n] und Systemerklärungsversuche[n]

wie Postwachstum und Degrowth – sie gingen quasi nichtssagend

an der unternehmerischen Realität vorbei.

Später stellt Frau Merz – neben der E-Fahrrad-Branche – vor allem

Biofirmen, ethisch-ökologische[n] Banken[…] und andere[n] ökologisch-soziale[n] Unternehmen

eine umfassende wie plakative

»licence to grow«

aus, mit der diese dann unter anderem

das Böse […] verdrängen

könnten. Diesem erklärten „Bösen“ stellt sie (ganz dualistisch) ein vermeintlich

gutes Wachstum

gegenüber, welches legitim sei und nur der politischen Förderung bedürfe, um den Menschen eineRechnung“ darüber vorzulegen, was sie

wie teuer zu stehen kommt.

Hier könnte Frau Merz möglicherweise unbewusst in die u.a. von Sommer und Welzer (2014: 78-86) beschriebene Falle der Ökonomisierung bzw. Inwertsetzung tappen. Ein Preisschild an jedem Teil der Bios- und Geosphäre, um eine solche „Rechnung“ über die

wahren Kosten der herkömmlichen Warenwelt

aufmachen zu können – das folgt letztlich nur konsequent der spätkapitalistisch-globalisierten Marktlogik, die in alle Bereiche des Lebens hineinzuwirken angelegt ist.

Ihr Abschlussplädoyer lautet:

Ran an das Verdrängungswachstum für ein gutes Leben!

Frau Merz als Gründerin einer „umweltorientierten“ Designagentur und Mitglied bei UnternehmensGrün (dem Bundesverband der „grünen Wirtschaft“) hebt durchaus mittelständisches und kleinunternehmerisches Ausbrechen aus dem Wachstumsdogma hervor und präsentiert mit Volker Plass (Bundessprecher der Grünen Wirtschaft aus Österreich) sogar eine Vision einer sesshafteren, sich vegetarisch ernährenden Weiterverwendungs- und Reparaturgesellschaft, in der Verzicht zu erwarten sei, der aber durch einen

Zugewinn an neuen sozialen Gesellschaftsformen (share economy, solidarische Landwirtschaft)

aufgefangen werden.

Sie trägt mit ihrer Wortwahl (Beispiel: „unternehmerische Realität“ und „Verdrängungswachstum“) sowie einem immanenten Dualismus (Gut vs. Böse) jedoch leider nicht wirklich zu einem konvivalistisch-solidarischen Grundton – weder in der Debatte noch in Bezug auf das von ihr betonte wirtschaftlichen Handeln – bei.


Literaturverweis:

Merz, Martina (2015): Degrowth? Ach was! In: taz.zeozwei, 03.2015, S. 71
[ISSN 2194-1246]

Sommer, Bernd/Welzer, Harald (Hrsg.) (2014): Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne, München: oekom verlag, S. 78-86
[ISBN 978-3-865-81662-7]

Die faire Welt des Onlinehandels senkt weiter ihre Zugangsschwelle

Ein Stück faire Online-Handels-Welt schon ab 10 € – so ließe sich wohl die aktuelle Änderung der Höhe des Genossenschaftsanteils an eben jener fair-welt-lichten Fairmondo eG besonders plakativ darstellen.

Die Genossenschaftsmitgliedschaft zum Preis eines Baum-Planzsets von meinwoody soll es auch den Menschen ermöglichen, ihren (Genossenschafts-an-)Teil zu einer faireren, auf den Online-Warenaustausch reduzierten Welt beizutragen, die ihr Geld bislang – drastisch formuliert – nicht durch ein Fenster im Stil der Renaissance werfen bzw. unter einer Brücke aus eben jener Epoche landen wollten. Zur Erklärung: Besagtes Fenster wie Brücke sind auf einem 50-Euro-Schein zu sehen, der stellvertretend für den bislang notwendigen Genossenschaftsanteil stehen kann.

Sofern die Zugangshürde zum Eintritt in die Genossenschaft hinter dem faireren Online-Marktplatz in Nutzer_innenhand bis dato also vom einzulegenden Geldbetrag aufgebaut worden sein sollte, wäre sie nun wohl für fast jede/n auf ein überwindbares Maß reduziert. Es mehr als 1.900 Mitgliedern gegenüber fast 8.400 Nutzer_innen (Stand: Juni 2015) gleich zu tun, kann euch euren eigenen und zugleich mit bald 2.000 Menschen geteilten Online-Marktplatz bescheren. Was ihr dann mit ihm anstellen, was ihr zu ihm beitragen wollt – das entscheidet ihr.

Vier Zehner mehr oder weniger – was ist euch ein Online-Handels-Platz wert, der seine Nutzer_innen nicht als willige Werbedatenlieferanten und bloße, unkritische Konsument_innen begreift, sondern als Mitgründer_innen einer faireren Plattform für den bewussten Warenaustausch im Netz? Erweitert jetzt euren Online-Handelsspielraum und zeigt euch widerständig gegenüber offenkundig profitgetriebenen, datenschutzlosen Aktiengesellschaften mit scheinbar reibungloser Benutzeroberfläche!