Postwachstum zwischen Anführungsstrichen: über eine „licence to grow“

Martina Merz will in ihrem Kommentar Degrowth? Ach was! unter der Rubrik Neue Wirtschaft in der aktuellen Ausgabe (03.2015: Essen & Kämpfen) der taz.zeozwei – Das Magazin für Klima. Kultur. Köpfe weg von den in ihren Augen

verkopften Begriffe[n] und Systemerklärungsversuche[n]

wie Postwachstum und Degrowth – sie gingen quasi nichtssagend

an der unternehmerischen Realität vorbei.

Später stellt Frau Merz – neben der E-Fahrrad-Branche – vor allem

Biofirmen, ethisch-ökologische[n] Banken[…] und andere[n] ökologisch-soziale[n] Unternehmen

eine umfassende wie plakative

»licence to grow«

aus, mit der diese dann unter anderem

das Böse […] verdrängen

könnten. Diesem erklärten „Bösen“ stellt sie (ganz dualistisch) ein vermeintlich

gutes Wachstum

gegenüber, welches legitim sei und nur der politischen Förderung bedürfe, um den Menschen eineRechnung“ darüber vorzulegen, was sie

wie teuer zu stehen kommt.

Hier könnte Frau Merz möglicherweise unbewusst in die u.a. von Sommer und Welzer (2014: 78-86) beschriebene Falle der Ökonomisierung bzw. Inwertsetzung tappen. Ein Preisschild an jedem Teil der Bios- und Geosphäre, um eine solche „Rechnung“ über die

wahren Kosten der herkömmlichen Warenwelt

aufmachen zu können – das folgt letztlich nur konsequent der spätkapitalistisch-globalisierten Marktlogik, die in alle Bereiche des Lebens hineinzuwirken angelegt ist.

Ihr Abschlussplädoyer lautet:

Ran an das Verdrängungswachstum für ein gutes Leben!

Frau Merz als Gründerin einer „umweltorientierten“ Designagentur und Mitglied bei UnternehmensGrün (dem Bundesverband der „grünen Wirtschaft“) hebt durchaus mittelständisches und kleinunternehmerisches Ausbrechen aus dem Wachstumsdogma hervor und präsentiert mit Volker Plass (Bundessprecher der Grünen Wirtschaft aus Österreich) sogar eine Vision einer sesshafteren, sich vegetarisch ernährenden Weiterverwendungs- und Reparaturgesellschaft, in der Verzicht zu erwarten sei, der aber durch einen

Zugewinn an neuen sozialen Gesellschaftsformen (share economy, solidarische Landwirtschaft)

aufgefangen werden.

Sie trägt mit ihrer Wortwahl (Beispiel: „unternehmerische Realität“ und „Verdrängungswachstum“) sowie einem immanenten Dualismus (Gut vs. Böse) jedoch leider nicht wirklich zu einem konvivalistisch-solidarischen Grundton – weder in der Debatte noch in Bezug auf das von ihr betonte wirtschaftlichen Handeln – bei.


Literaturverweis:

Merz, Martina (2015): Degrowth? Ach was! In: taz.zeozwei, 03.2015, S. 71
[ISSN 2194-1246]

Sommer, Bernd/Welzer, Harald (Hrsg.) (2014): Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne, München: oekom verlag, S. 78-86
[ISBN 978-3-865-81662-7]

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